Supertramps - Menschen, die auf der Straße leben, führen durch ihr Wien
Supertramps - Menschen, die auf der Straße leben, führen durch ihr Wien
Als Vorbereitung auf eine ungewöhnliche Stadtführung beschäftigten sich zwölf Schülerinnen und Schüler der 4. bis 6. Klassen in einem Workshop mit Teresa Bodner vom Verein „Supertramps“ mit den Ursachen und Folgen von Obdachlosigkeit. Später lernten sie bei der Notschlafstelle VinziPort am Rennweg Robert kennen, der die Gruppe eineinhalb Stunden lang an verschiedene Schauplätze seines Lebens als Obdachloser führte, vom selbstgebauten Verschlag über einen Supermarkt, wo er oft etwas zu essen bekam, bis hin zu einem Tageszentrum.
Fotos im Klassenzimmer: Christian Jordan-Lichtenberger
Fotos im Freien: Johannes Greß
Artikel von Johannes Greß aus der Bezirkzeitung (Bezirke 3 und 11):
Supertramps: Mit Robert auf Tour durch Landstraße und Simmering
Schlafplatz und Verpflegung: Selbst die grundlegenden Dinge des Lebens sind für Obdachlose oft mit enormen Aufwand verbunden.
Müde sei er, seit Montag der Schneefall einsetzte habe er nur ein paar Stunden geschlafen. 18 Stunden Schichten sind bei dem Wetter eben keine Seltenheit. Die Bezahlung: schlecht, gerade noch vorhanden. Aber das sei in Ordnung. Vor rund eineinhalb Jahren musste Robert noch auf der Straße um Geld betteln, der Job im Winterdienst ist ein erster Schritt zurück in ein geregeltes Leben - ein Leben wie er es einst schon hatte. Scheidung, Jobverlust und eine Pillensucht brachten ihn damals aus der Spur. Seit knapp einem Jahr erzählt er im Rahmen der "Supertramps" seine Geschichte und gewährt Interessenten als Tourguide seinen ganz eigenen Einblick in das Wiener Stadtleben. Eine Projektklasse des Rainergymnasiums in Margareten lotst er dieses Mal durch den 3. und den 11. Bezirk - nicht die klassischen Touristen-Hotspots, aber für Robert ganz besondere Orte.
"Manche Männer rennen weg, andere schlagen zu - ich habe zugeschlagen", erklärt der 41-Jährige unverblümt. Eine Überreaktion, die er bis zum heutigen Tag bereut. Als ihn seine Frau damals betrogen hat, er daraufhin seinen Job verlor und sich in psychiatrische Behandlung begab, landete der gelernte Geigenbauer auf der Straße. Der VinziPort, eine Obdachloseneinrichtung am Rennweg, war damals seine erste Anlaufstelle, dort startet er heute auch seine "Supertramps". Er stehe heute hier um den Menschen an seiner Lektion teilhaben zu lassen, erklärt er den Schülern des Rainergymnasiums.
"Das will ich hier gar nicht erzählen"
Wegen einer Lappalie erteilte man ihm damals im VinziPort ein Hausverbot, unweit der Einrichtung schlug er so sein Lager auf und lebte von da an in einem Unterschlupf zusammengebastelt aus Planen und Seilen. Den Unterschlupf gibt es heute noch, nun bewohnt ihn ein Freund von ihm. Mit einer Mischung aus Neugier und Respekt werfen die Schüler einen Blick ins Innere der Behausung. Direkt gegenüber befindet sich ein größerer Wohnkomplex, manchmal seien Anrainer vorbeigekommen, haben etwas zu Essen oder auch eine Dose Bier mitgebracht. Einer von ihnen war ORF-Journalist Bernt Koschuh, welcher ihm damals sogar ein Zelt schenkte, erzählt Robert stolz. Noch heute stehen die beiden in regelmäßigem Kontakt.
Weitaus weniger "freundschaftlich" ist die nächste Station auf Roberts Tour. Den St. Marx Hügel solle man wenn irgend möglich meiden, "hier sind Dinge passiert, das will ich hier gar nicht erzählen", so der 41-Jährige und belässt es dabei. Weiter in Richtung Simmering hält Robert vor einem Penny-Markt entlang der Simmeringer Hauptstraße, hier habe er oft Kunden um etwas zu Essen gefragt. "Das funktioniert besser als betteln", erklärt Robert. Seine letzte Station, eine Einrichtung für Wohnungslose des Samariterbunds am Enklplatz, ist ihm besonders wichtig. Mit Unterkunft, Verpflegung, psychiatrischer Betreuung und Hilfe bei der Jobsuche bieten die Sozialarbeiter der Einrichtung "eine Chance, um aus dem ganzen Schlamassel wieder herauszukommen".
Tourguide mit Herz und Seele
Der Einblick ins Roberts Leben berührt auch die Schüler der Projektklasse. Nachdem die 13 - 16 Jährigen das Thema "Obdachlosigkeit" bereits im Rahmen eines Workshops behandelt hatten, zeigen sie sich beeindruckt von den Erzählungen des 41-Jährigen. Man ist sich einig, so etwas könne man im Unterricht gerne öfter behandeln. Mittlerweile lebt Robert im VinziBett in der Ottakringer Straße und fühlt sich dort pudelwohl - seiner Meinung nach ist die Einrichtung "ein Vorbild für alle anderen Notschlafstellen in Wien". Für die Zukunft wünscht er sich einen unbefristeten Job und eine kleine Wohnung um irgendwann seine dreijährige Tochter zu sich nach Wien holen zu können. Aber ganz egal, was die Zukunft so mit sich bringen wird, seine Rolle als Tourguide wolle er ganz gewiss nicht aufgeben.
Quelle: Wiener Bezirkszeitung