Individualisierungsatelier am Rainergymnasium
14.05.2009

Individualisierungsatelier

Das Rainergymnasium nimmt am Individualisierungsatelier des bm:ukk teil.
Das ist ein bundesweiter Verbund von Individualisierungsateliers an Schulen. Teilnehmende Bundesländer sind Steiermark, Burgenland, Niederösterreich und Wien, teilnehmende Schularten sind Volksschulen, Hauptschulen, Kooperative Mittelschulen und Allgemeinbildende höhere Schulen, jede dieser Schularten ist durch eine Schule pro Bundesland vertreten.13 Schulteams nehmen derzeit daran teil. Eingeladen sind Schulteams bestehende aus der Schulleitung und zwei LehrerInnen.
Es wird ein Netzwerk und es werden Lernpartnerschaften unter den teilnehmenden Schulen sowohl bundesweit als auch regional gebildet, um die Arbeit an den Schulen zu reflektieren und um vielschichtige Lernprozesse zu ermöglichen.
Das Projekt des bmukk wird geleitet von Dr. Winter (päd.Hochschule/Stmk) und wissenschaftlich begleitet von Prof.Dr. Wilfried Schley.
Die regionalen Partnerschulen des Rainergymnasiums sind das Marianum Steinberg aus dem Burgenland und die KMS Max Winter Platz, 1020 Wien.
Im Schuljahr 2008/09 wurde in einer 5. Klasse Oberstufe Individualisierungsatelier zum Thema Menschenrechte durchgeführt.
Es war uns LehrerInnen ein wesentliches Anliegen, den Unterricht einerseits zu individualisieren, andererseits vom lehrerzentrierten zum schülerzentrierten Unterricht voranzuschreiten.

Maßnahmen

  • Gruppengröße, Themenwahl: Innerhalb des Großthemas „Menschenrechte" wählten die SchülerInnen ihr Thema frei. Auch zwischen Einzel- oder Partnerarbeit konnten sie sich entscheiden.
  • Organisation: Der stundenplanmäßige Unterricht wurde insofern aufgelöst, als im ersten Semester des Schuljahres 2008/09 jeweils ein Vormittag pro Woche von zwei LehrerInnen im Team-teaching in den Unterrichtsgegenständen in GWK und GSK, in Deutsch und im schulautonomen Gegenstand „Einführung in das Politische Leben (EPL)" gestaltet wurde.
  • Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens: Jeder Schüler/ jede Schülerin sollte im Unterricht zum selbst gewählten Thema ein Prozessportfolio erstellen, deshalb erhielten sie eine Einführung in den Umgang mit Quellen und Zitierregeln.
  • Selbstständiges Lernen: Die SchülerInnen formulierten ihre eigenen Ziele, die sie im Projekt erreichen wollten und reflektierten am Ende des Semesters, was ihnen gelungen war, was nicht, welche Zielsetzungen sie warum verändert hatten.
  • LehrerInnen als Coaches: Die individuellen Zielsetzungen wurden mit den Schülerteams bzw. den einzelnen SchülerInnen besprochen, außerdem wurde von den Lehrerinnen individuell Material zur Verfügung gestellt oder Literatur empfohlen. Die Auswertung der Interviews und Statistiken erfolgte in Zusammenarbeit mit den EvaluationsexpertInnen der Schule.
  • Lernwege freigeben: Die Schwerpunktsetzung im Portfolio oblag den SchülerInnen, auch war neben einem „Pflichtteil" von Texten, die im Portfolio enthalten sein mussten, eine „Kür" erwünscht. Zur Umsetzung dieses freien Arbeitens verließen SchülerInnen mit Erlaubnis der Eltern das Schulgebäude, um Straßenbefragungen durchzuführen oder Filmsequenzen zu drehen, benutzten die Bibliothek, den Festsaal oder zogen sich in leerstehende Klassenräume zurück. Im Rahmen dieses selbst gewählten Teils stand es den SchülerInnen frei, Arbeiten aus Englisch, Französisch, Latein, BE, ME und Informatik in ihr Portfolio aufzunehmen. Die Vorbereitung für allfällige Expertentreffen und Lehrausgänge übernahmen die SchülerInnen eigenständig.
  • Einsatz von Experten: Nach Möglichkeit sollten die SchülerInnen Kontakte herstellen und Exkursionstermine für die Klasse vereinbaren. Die Klasse besuchten zwei Expertinnen für Frauenhandel der Organisation of Migration (OGM), ein Mitarbeiter von „Ärzte ohne Grenzen", ein Bezirksinspektor, eine Mitarbeiterin der Internationalen Organisation für Menschenrechte (IOM). Unserer Schulärztin, Frau Dr. Herta Bayer, stellte sich für zwei Teams mehrmals für Besprechungen zur Verfügung. Die Klasse besuchte die Demokratiewerkstatt im Parlament, die „Rosa-Lila - Villa und veranstaltete eine Weihnachtssammlung für die „Gruft".

Erfahrungen, Ausblick

SchülerInnensicht: Die Ergebnisse des Projekts wurden im Rahmen eines Besuchs unserer Partnerschulen - KMS Max Winter Platz und Marianum Steinfeld im Burgenland vorgestellt.
Die SchülerInnen äußerten sich überwiegend positiv zur Projektarbeit. Eine Schülerin meinte, ihre Motivation und auch ihre Noten seien aufgrund des selbstgesteuerten Lernprozesses im Vergleich zum Vorjahr wesentlich gestiegen. Besonders positiv wurden die von den SchülerInnen geplanten Exkursionen und Expertenrunden bewertet. Einige SchülerInnen beklagten sich über den erhöhten Arbeitsaufwand, der mit der Erstellung des Portfolios zeitweilig verbunden war. Darüber, ob die einzelnen Aufgabenstellungen, für das Portfolio genauer definiert oder völlig frei gestellt werden sollten, herrschte unter den SchülerInnen Uneinigkeit.

Die Evaluation des Projektes ist noch im heurigen Schuljahr geplant

LehrerInnensicht: Als eine wesentliche und äußerst förderliche Maßnahme empfanden wir die Auflösung des Stundenplans am Projekttag, sowie das Team-teaching.
Dass von LehrerInnenseite die Fachkompetenzen aus vier Fächern einflossen und auch Methodenvielfalt herrschte, machte die Arbeit im Team für uns äußerst lehrreich und freudvoll.
Der regelmäßige Austausch über die Wahrnehmungen der einzelnen Schülerpersönlichkeiten und ihrer Arbeitsweisen war fast ein automatisches Ergebnis der Zusammenarbeit.
Als sehr interessant erlebten wir auch die Planungsgespräche (Coachings) mit den einzelnen Teams, weil viele unkonventionelle Herangehensweisen an unterschiedliche Themen wahrgenommen werden konnten.
Das Verlassen der Klassenräume und des Schulgebäudes gestaltete sich durchwegs einfach und konfliktfrei. Es gab keine einzige Situation, in der die SchülerInnen ihre Freiheiten über Gebühr ausgenützt hätten.
Schwieriger gestaltete sich die Benotung der Projektarbeit. Erstens ist es eine Herausforderung, 26 Portfolios zu lesen und zu beurteilen.
Zweitens musste die Portfolioarbeit in die Noten der vier betroffenen Gegenstände einbezogen werden.
Drittens sollten, um dem Ziel der „alternativen Leistungsbeurteilung" gerecht zu werden, die Notenvorschläge der SchülerInnen für GSK, GWK, EPL und Deutsch erhoben, diskutiert und begründet werden.
Arbeitsintensiv gestaltete sich auch die Dokumentation des Projekts inklusive der Vorbereitung des Besuchs der Partnerschulen.

Insgesamt ist diese Form des individualisierten, schülerzentrierten Unterrichts wohl auch als Investition in die Zukunft zu betrachten.

In die Zukunft eigenverantwortlicher, selbstständiger, kreativer SchülerInnen, die uns, je mehr Erfahrung sie in solchen Projekten sammeln, immer mehr „Arbeit" abnehmen werden.

Prof. Mag. Alexandra Eichinger
Prof. Mag. Andrea Sickl