Zeitzeugengespräch mit Fred Bondi
27.01.2015

Zeitzeugengespräch mit Fred Bondi

Am 27. Jänner besuchte  Fred Bondi erstmals seine ehemalige Schule, an der er sich viereinhalb Jahre lang „immer wohlgefühlt“ habe, die er aber im Jahre 1937 als einziger jüdischer Schüler seiner Klasse verlassen musste. Eine Geschichte über Glück, Zufälle und die Ausnahme, die vielleicht die (grausame) Regel bestätigt.

Gewohnt hat Fred Bondi damals mit seinen Eltern in der Siebenbrunnengasse. Viereinhalb Jahre besuchte er den Unterricht im Rainergymnasium, bis sich im März 1937 alles ändern sollte. Bondi sei immer in der erste Reihe gesessen, erzählt der mittlerweile 93-Jährige. Am 22. März habe der Lehrer verfügt, Juden müssen in die letzte Bank – damals keineswegs ein Ehrenplatz. Mitschüler allerdings standen auf und setzten sich in die letzte Reihe. „Oberlehrer Bondi“ durfte in der erste Reihe sitzen bleiben. Ab April 1937 besuchte Fred Bondi das „Judengymnasium“ in der Zirkusgasse. An die Szene seines Abgangs aus dem Rainergymnasium erinnert sich Fred Bondi besonders gerne: 25 seien sie in der Klasse gewesen. Jeder habe ihm die Hand geschüttelt und ihm viel Glück gewünscht; Glück, das seinen Mitschülern des Maturajahrgangs 1941 nicht immer zuteil werden sollte, musste doch ein Großteil einrücken.

Aber nicht nur seine Mitschüler seien hilfreich gewesen, auch als er von der HJ verprügelt wurde, hielt das Dienstmädchen die Übeltäter zurück und verhinderte Schlimmeres. Auf SS-Anfrage zu einer jüdischen Partei im Haus habe der Hausbesorger in der Siebenbrunnengasse geantwortet, die SS-Männer müssten ihn zuerst erschießen, bevor er Auskunft gebe. Als Bondi beim für Juden verbotenen Bimfahren erwischt worden ist und der Schaffner ihn als „Judenbub“ enttarnt hat, habe dieser gesagt: „Du brauchst nicht zahlen; du hast genug Probleme.“ Als ihn ein Mädel auf der Wiedner Hauptstraße mit „Heil Hitler“ anspricht und er entgegnet, dass er nicht dürfe, sei ihr „Schade!“ zumindest ein ernst gemeinter kleiner Trost gewesen. Auf ebendieser Wiedner Hauptstraße half ein Wehrmachtssoldat Bondis Mutter über die ungeregelte Straße – die erste Ampel sei 1936 am Opernring errichtet worden, daran könne er sich noch genau erinnern. Dass sie Jüdin sei und keine Schwierigkeiten bereiten wolle, entgegnete die Mutter. „Sie sind doch eine Dame“, habe der hilfsbereite Soldat gemeint. Auch die Angestellten der Speditionsfirma – allesamt Nichtjuden, die bei der Ausreise der Bondis Hab und Gut bis hin zum Klavier einpackten, haben derartige Sorgfalt walten lassen, dass der amerikanische Partner gestaunt habe.

Text: Mag. Michael Koscher, BA BA

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